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Das Wetter war wochenlang herrlich und wir alle wurden braun
wie Mohren. In diesen Monaten Juni bis September verdienten
wir sogar einige Rubel in bar. Zunächst hatte ja jeder Kriegsge-
fangene seine Verpflegung zu erarbeiten. Der Satz, einschließ-
lich Bekleidung und Wohnung, betrug ungefähr 450 Rubel im Monat
und war nicht leicht zu erreichen, da man uns die lohnenden Ar-
beiten nur gab, wenn Russen nicht zur Verfügung standen. Wir
konnten uns also etwas Brot zusätzlich kaufen und arbeiteten
daher auch eifriger.
Mit einer Praktikantin, einem sehr gepflegten und liebenswürdi-
gen Mädchen, unterhielt ich mich täglich sehr ausführlich. Es
setzte sich meist zu mir auf die Mauer und sah zu. Unsere Ge-
spräche drehten sich um alle möglichen Dinge und ich konnte in
manchem ihr Urteil über uns Deutsche korrigieren. Ebenso erfuhr
ich von ihr mancherlei Wissenswertes.
Uns war schon seit Wochen aufgefallen, daß die Bevölkerung teil-
weise recht zurückhaltend geworden war. Der Grund lag darin, daß
in der Stadt ein Hetzfilm lief, in dem deutsche Soldaten russi-
sche Kinder auf einer Kreissäge auseinanderschnitten. Die Leute
glaubten das offenbar.
Eines Tages sagte mir meine Freundin Nina, sie fahre nun drei
Wochen auf Urlaub nach Kamen zu ihren Eltern und wenn sie zu-
rückkomme, seien wir nicht mehr hier.
"Wo sollten wir denn dann sein?"
"Oh, Ihr werdet zu Hause sein!"
Ich lachte sie aus, kein Mensch bei uns glaubte noch an solche
Parolen. Wir verabschiedeten uns herzlich.
Sie behielt recht, ich sah sie nicht wieder.
Eines Tages sollten wir ein kleines Transformatorenhäuschen mauern.
Der russische Natschalnik verlangte, es müsse in vier Tagen fertig
sein. Unsere Brigade bestand aus vier Maurern und sechs Handlan-
gern, lauter Deutschen. Ich lachte ihn aus und sagte ihm, wir
hätten es nicht eiliger, als die Russen mit der Entlassung.Außer-
dem verlange er Unmögliches.
Er meinte, wir müßten es hinkriegen. In vier Tagen komme eine Kom-
mission und es würde schlimm für ihn, wenn das Häuschen nicht ste-
he.



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