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Wir stapften morgens bei Dunkelheit in einer langen Reihe hin-
aus in den winterlichen Märchenwald. Meist hatten wir ziemlich
weite Anmarschwege bis zu 8 km. Zusammen mit den Volksdeutschen
und wenigen Russen schnitten wir die Bäume in den bezeichneten
Flächen entweder von Hand oder mit finnischen oder deutschen
Motorsägen. Die Baumriesen krachten dann mit einem letzten ge-
waltigen Getöse in den tiefen Schnee. Die Norm pro Mann schwank-
te zwischen 3 und 6 m3. Dazu gehörte aber auch das Entästen,
Schneiden auf bestimmte Längen und Verbrennen der Äste. Das
war eine sehr hohe Arbeitsleistung und doch wurde sie häufig
erreicht. Ein Kommando hatte die Teilstämme auf Spezialwagen
zu verladen. Auch dies war im Winter eine harte Arbeit, da die
Zugseile dauernd vereisten und die primitiven Handschuhe schnell
zerrissen. Die Stämme wurden mittels Pferdeschlitten ans Gleis
gezogen.
Wir hatten einen weiblichen russischen Natschalnik, ein bild-
hübsches Mädchen von etwa 21 Jahren. Es hieß Raja S.
Von Zeit zu Zeit kamen Kommissionen von irgendwoher auf leichten
Schlitten mit rassigen Pferden in einem halsbrecherischen Tempo
angefegt und Raja konnte dann sehr böse werden, wenn jemand
irgend etwas an ihrer Arbeit auszusetzen hatte.
Die Russen können ja so mörderisch schimpfen und fluchen, daß
man es selber hören muß, um es zu glauben.
Unser Lagerkommandant war ein sehr netter Leutnant, er wohnte
mit seinen 4 Wachsoldaten neben dem Lager in einer kleinen
Hütte. Auch ihn verband mit seinen Soldaten ein sehr kamerad-
schaftliches Verhältnis, wie wir das oft auch andernorts beobach-
ten konnten. Doch nie litt die notwendige Disziplin darunter.
Er holte mich oft spät abends von der Pritsche, um Schach zu
spielen. Meist tat er es nicht unter 4 Partien. Er spielte sehr
impulsiv, war auch sonst sehr lebhaft und an allem interessiert.
In wenigen Monaten lernte er eine Menge Deutsch und las dann
in unseren Ostzonenzeitungen. Er konnte sich ausschütten vor
Lachen, wenn er die Heiratsanzeigen las, die es in Rußland nicht
gibt. Er verstand nie ganz, wie es so etwas geben könne.
Die Wachsoldaten waren kaum zu spüren, wohin sollte einer auch
fliehen. Meist gingen sie auf die Jagd und brachten oft Schnee-
hasen heim.
Mit zunehmendem Winter wurde es immer schwieriger, die Verpfle-



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