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Ich bekam Medikamente und schon nach wenigen Tagen sank das Fie-
ber.
Man entließ mich.
Wieder ging es zur Arbeit.
Die Wege hatten sich mittlerweile in Morast verwandelt und wir
hatten mit unserem schlechten Schuhwerk von morgens bis abends
nasse Füße.Ich arbeitete wieder im Sägewerk.Nicht lange darauf,
als wir uns tagelang mit besonders schweren Stämmen plagen muß-
ten, fingen meine Handgelenke wieder an zu knacken und zu schmer-
zen.Ich meldete mich kank und blieb tagsüber im Lager.
Zu dieser Zeit gab es bereits Lektüre.Sie bestand meistens aus
politischen Schriften der führenden Männer der Sowjetunion und
aus einzelnen klassischen Werken der russischen Dichtklunst.Auch
einzelne deutsche Dichter waren vorhanden, so Heinrich Heine.
Ich vertrieb mir also die Zeit, so gut es ging.Täglich mußte
ich zur Untersuchung, wobei die russische Ärztin immer probier-
te, ob meine Handgelenke noch knackten.Ich traf Vorsorge, daß
sie immer knackten.In diese beschaulichen Tage platzte die Nach-
richt, es gehe in den nächsten Tagen ein Transport von Nichtar-
beitsfähigen ins Lager 1 zurück.Ich hatte Glück und kam mit weg.
Zu dieser Zeit, es war der 9. Mai 1946, gelangte auch die erste
Post aus Deutschland ins Lager.Wir spürten dieses lächerlich
dünne Band zur Heimat sehr stark und fühlten uns weniger ver-
lassen.
In einem wahren Schneckentempo marschierten wir an besagtem Tag
in unser erstes Lager zurück.Hinter den Scheiben mehrerer Häuser
sahen uns weinende Frauen nach.
Als wir das Lagertor passiert hatten, waren wir alle froh; denn
hier war es doch geräumiger und die Arbeitsbedingungen waren
nicht ganz so hart.Schon am nächsten Tag fand die Arbeitsgruppen-
untersuchung statt, ich wurde "o.K." geschrieben und zog in eine
der beiden Baracken, die den Arbeitsunfähigen vorbehalten waren.
Die Pritschenreihen waren dort nicht so lange wie in den anderen
Baracken und so hatten die Räume ein etwas freundlicheres Ausse-
hen.Nach einigen Tagen wurden sogar Strohsäcke und weiße Kopfbe-
züge geliefert.Wir stopften sie mit Stroh aus und fühlten uns
wunderbar wohl.In unserer Abwesenheit hatte man auch eine Wasser-
leitung angelegt und man konnte dort nach langem Anstehen ein
Kochgeschirr voll Wasser ergattern.



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