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Immer wieder bewunderte ich die herrlichen Baumbestände,
gab es doch Birken bis zu 80 cm Durchmesser. Sehr viel Holz
verkam auch, vor allem Pappeln, da sie als Nutzholz nicht
verwendet wurden.
Einige Wochen verbrachten wir noch beim Bau einer neuen
Schleuse. Der Kanal enthielt in unserem Gebiet mehr als
30 aus Holz erbaute Schleusen, die die Schiffahrt sehr be-
hinderten. Frauen bedienten die Schleusentore, Frauen in
Matrosenuniform mit Gewehr bewachten sie Tag und Nacht.
Auch jede noch so kleine Brücke wurde bewacht. Ebenso war
es mit den Feldern, wenn sie zur Ernte heranstanden. Für
den Diebstahl eines Kohlkopfes gab es in der Regel 5 Jahre
Zwangsarbeit.
Wir hatten in der Hauptsache Erdbewegungen auszuführen, und
mittels Ramme lange Pfähle einzurammen.
Mitten in diese Arbeiten hinein platzte ein russischer Befehl,
daß 150 Mann in Marsch zu setzen seien. Ich befand mich unter
ihnen. Wir wurden neu eingekleidet und auf einem normalen
Personendampfer eingeschifft. Nur ein Unterleutnant und ein
Soldat begleiteten uns. Drei Tage und drei Nächte verbrachten
wir zusammen mit einigen hundert russischen Frauen und Männern,
deren manche ausstiegen und neue hinzukamen, auf dem Schiff.
Die Einteilung war wie bei uns, es gab drei verschiedene Klas-
sen. Die Passagiere der ersten Klasse bekamen wir kaum zu Ge-
sicht. Sie hatten sehr feudale Kabinen mit Fenstern auf den
Fluß. Die zweite Klasse war ähnlich, nur lagen die Kabinen
ungünstiger. Die dritte Klasse bestand aus einem großen Raum,
in dem zweistöckige Holzpritschen standen. An Bord befand sich
auch eine kleine Kantine, sowie eine Küche. Das Schiff war maß-
los überbelegt mit seinen wohl 500 Passagieren.
Die Russen standen, saßen oder lagen kreuz und quer auf Deck,
in den Gängen oder auf den Treppen. Sogar einige männliche
Strafgefangene reisten unter Bewachung mit uns.
Ich hielt mich fast immer auf Deck auf, um möglichst viel zu
sehen. Zunächst passierten wir zahlreiche Schleusen. Dann ging
es auf einem kanalisierten Fluß dahin, dessen Ufer aus dunkler
Erde Millionen Löcher aufwiesen, in denen Uferschwalben hausten.



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