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Am vorletzten Tage rief mich die Schwester vorsichtig beisei-
te,drückte mir schnell fünf Rubel in die Hand und sagte leise,
ihr tue immer das Herz weh, wenn sie mich sehe. Ich dankte ge-
rührt und bewahre ihr bis heute ein dankbares Gedenken.
Meist bummelte ich anschließend noch mit meiner Begleitung
durch die Straßen und sah dabei viel Interessantes. Die Passanten
musterten mich meist sehr genau, doch selten feindselig. Un-
ser Wachleutnant F. hatte mir gleich in den ersten Tagen
eine neue Uniform verpassen lassen, weil ihm mein altes Zeug
zu schäbig erschien, und so konnte ich mich schon sehen lassen.
Den Ort meines Unfalls wußte ich natürlich zu verschweigen, um
dem Hundebesitzer und auch mir Scherereien zu ersparen.
Wieder rückte ich zum "Neuen Dorf" mit aus. Wieder wurde ge-
mauert. In dieser Zeit sah ich erstmalig einen Stachanow-Mau-
rer, der einige Tage zuvor einen Stalin-Preis von loo ooo
Rubeln erhalten hatte, bei der Arbeit. Er vermauerte in einer
Schicht 18000 Ziegel, ein wahres Wunder!
Ich war begierig, seine Methode kennenzulernen. Mit mehr als
einem Dutzend Hilfskräften schaffte er das. Sie richteten al-
les auf sein Geheiß hin und er besorgte den Rest.
Die Zeitungen berichteten einmal von dem besten russischen Mau-
rer in Moskau, der in acht Stunden 35000 Ziegel vermauerte.
Vermutlich hat er mit 25 Hilfsarbeitern und Handlangern gear-
beitet. Bei uns würde Schmeling diese Zahl von Steinen nicht
einmal vom Wagen zu werfen vermögen.
Das sind eben die Nachteile der kapitalistischen Arbeitsmetho-
den.
Eines Abends ereignete sich auf der Heimfahrt ein schweres Un-
glück. Wir wurden mit zwei Lastwagen weggebracht, jeder trug
einen hausähnlichen Aufbau, nach hinten offen, unter dem wir
saßen. Der Fahrer des ersten Wagens mußte offenbar betrunken
sein; denn er nahm eine Kurve nach einer Newabrücke so schnell u.
scharf, daß die etwa 30 Kriegsgefangenen herunterflogen und
das Chassis auseinanderbrach. Dies geschah in einer sehr beleb-
ten Gegend und sofort eilten zahlreiche Russen von allen Sei-
ten herbei, um den Deutschen zu helfen. Zehn Mann wurden schwer
verletzt. Ein fremder Lastwagen kippte sofort seine Ladung in
den Straßengraben und brachte die Verletzten in ein Kranken-
haus.



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