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viele meiner Kameraden werden auch heute noch in der Sowjet-
union festgehalten, noch mehr aber starben in der Gefangenschaft
und werden die Heimat nimmer schauen.
Ich gedenke ihrer aller in Hoffnung und Trauer.
Sie dürfen nicht vergessen sein!

Rußland und der russische Mensch erscheinen uns rätselhaft, weil
wir sie, ihre Geschichte, ihre Kultur und ihr Land nicht kennen.
Die russische Gegenwart ist nur zu verstehen, wenn wir die Ver-
gangenheit kennen.Die Geschichte des alten Rußland ist ebenso
interessant und lehrreich wie unsere eigene und nicht blutiger
als etwa die englische.Die russische Literatur gehört zu den
bedeutendsten der Welt.Die russische Musik hat Leistungen voll-
bracht, die denen anderer Nationen nicht nachstehen.
Wenn wir dies alles eingehend studiert haben, dann erst sollten
wir uns dem Studium des modernen Rußland - der Sowjetunion -
widmen.
Vieles ist dort auch heute noch nicht erreicht,was wir längst
als selbstverständlich empfinden.Doch rümpfen wir nicht die Nase,
wenn Iwan irgendwo nicht mit Messer und Gabel essen kann !
Die Sowjetunion hat bewiesen, daß sie eine moderne Großmacht ist;
sie ist d e r Sieger des letzten Krieges, wenn es überhaupt
einen gibt.Ebenso, wie sie damals eine gewaltige nationale Lei-
stung aufbrachte, richtet sich heute die geballte und zentral
gelenkte Kraft von über 200 Millionen Menschen darauf, die Sowjet-
union stärker und mächtiger zu machen als je zuvor.An Hilfsquel-
len im eigenen Lande fehlt es nicht.
Ob uns die Methoden und Mittel behagen oder nicht, ob wir über
Mißerfolge lächeln oder nicht, ist in diesem Zusammenhang bedeu-
tungslos.
Der russische Mensch ist nicht mehr der Muschik von einst.Er hat
die Abhängigkeit von westlichem Wohlwollen abgestreift und sich
von der Bewunderung alles Westlichen weitgehend distanziert.Er
hat erkannt, daß auch er Leistungen zu vollbringen vermag, wenn
ihm auch der westliche Vorsprung bewußt ist.
Die patriarchalischen Typen, denen wir noch bei Gorki begegnen,
sind am Aussterben.Wir tun gut daran, die Russen nicht mit Wodka
trinkenden Faulenzern zu identifizieren.Sie arbeiten hart.Sie
haben Lesen, Schreiben und sogar Denken gelernt.Sie spielen lei-
denschaftlich gerne Schach und wenn sie erzählen, entbehren sie



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